Den Namen Joseph Lauber sucht man in vielen Lexika vergebens, was beim Umfang und der Vielseitigkeit des Schaffens dieses Schweizer Tonsetzers verwundert. Über zweihundert Werke hat er geschrieben, nahezu alle Gattungen sind vertreten: 6 Sinfonien und etliche weitere Orchesterstücke, Konzerte für Soloinstrumente mit Orchester, eine Oper, Chorwerke, Lieder, Klaviermusik und Kammermusik in unterschiedlichen, teils recht ungewöhnlichen Besetzungen. Insbesondere die Flöte hat Lauber mit einer erstaunlich großen Anzahl verschiedenster Kompositionen bedacht. Neben reinen Bläserensembles gibt es gemischte Besetzungen mit Streichern, mit und ohne Klavier, mehrere Soli (darunter auch Fugen für Flöte allein!), das wunderbare Quartett "Visions de Corse" für vier Flöten, die ausdrucksstarken "Quatre danses médiévales" im Duo mit Harfe und mindestens fünf Duos für Flöte und Klavier.
Die vorliegende Grande Sonate cis-moll op. 53, die wahrscheinlich um 1937 entstanden ist, dürfte wohl das gewichtigste Werk der letztgenannten Gattung sein und ist eine wirkliche Bereicherung für die Duoliteratur. In ihr finden sich neben spätromatischen auch deutliche impressionistische Einflüsse, "moderneren" Entwicklungen des 20. Jahrhunderts stand Lauber eher ablehnend gegenüber. Eindrücke, die er während der verschiedenen Stationen seiner Ausbildung aufgenommen hat, verbinden sich hier auf angenehme Art zu einer melodisch eingängigen und harmonisch farbenreichen Musik.
Joseph Lauber absolvierte sein Studium zunächst am Konservatorium in Zürich u. a. bei Friedrich Hegar, der seinen Lieblingsschüler mit Johannes Brahms persönlich bekanntmachte und der auch Lehrer von Arthur Honegger war. Weitere Studien bei Joseph Rheinberger in München und Jules Massenet in Paris folgten.
Lauber war vielseitig tätig als Privatmusiklehrer, Chorleiter und Organist und leitete von 1899-1901 eine Klavierklasse am Konservatorium in Zürich. Im Jahr 1901 (anderen Quellen zufolge erst 1905) ging er nach Genf, wo er zunächst die Position des 1. Kapellmeisters des Grand Théâtre innehatte. Bald erhielt er am dortigen Konservatorium eine Professur für Klavier, Orchestrierung und - ab 1927 - für Komposition. Zu seinen Studenten zählte von 1906-1912 Frank Martin, der bekanntermaßen mit seiner "Ballade" einen besonders wichtigen Beitrag zum Flötenrepertoire geleistet hat.
Verdient hätte es Joseph Lauber (1864/65-1952), in dessen Lebenslauf neben einigen anderen Daten sein Geburtstag unterschiedlich überliefert ist (war es der 17., 25., 27. oder 28.12.1864 oder erst 1865 in Ruswil/Luzern?), wenn er durch die Wiederveröffentlichung seiner "Grande Sonate" mehr wahrgenommen würde als bisher, und dass er nicht mehr länger nur in den Biografien seines berühmten Schülers auftauchte.